Der Millionär

Freunde der Sonne, Freiheit und Musik,

es ist mal wieder viel passiert – Zeit für einen neuen Blogeintrag!

Der Tag nachdem in unseren Bus eingebrochen wurde begann mit einer langen Odyssee zwischen Opelhändlern, Autowerkstätten, der spanischen Siesta und Übersetzungsapps, denn niemand wollte uns so recht helfen mit unserer kaputten Fensterscheibe. Die einzige Person in unserer Gruppe, die ein wenig Spanisch sprach, war Alina, was den Tag für sie besonders anstrengend machte. Ihrer Aufgeschlossenheit und Entschlossenheit haben wir es auch zu verdanken, dass wir am Ende doch eine Werkstatt gefunden haben, die unser Auto reparieren konnte. Sie sprach einfach Mitarbeiter einer Toyota Werkstatt an. Über einen Kunden, der zufällig davon mitbekam, kam dann die Empfehlung zur Werkstatt bei der wir am Ende gelandet sind. Als wir bei der empfohlenen Werkstatt ankamen, fühlten wir uns direkt gut aufgehoben, denn es wurde sich Zeit für uns genommen und wir bekamen einen Termin für die Reparatur. Weil die neue Scheibe aus Deutschland bestellt werden musste, konnte das Auto aber erst eine Woche später repariert werden. Wir saßen also erstmal in Sitges fest. Das war uns in dem Moment aber egal, denn wir wollten endlich wieder auf die Straße und in unserer neuen Besetzung Musik machen. Wir fuhren in ein nächstgelegenes Musikgeschäft nach Barcelona und fanden nach ein paar Stunden Testen neue Instrumente und Mikrofone. Endlich wieder auf Spur! Am Abend spielten wir dann unser erstes Konzert zu fünft in Sitges. Ein voller Erfolg! Die Menschen tanzten, hatten beste Laune und warfen 185€ in unseren Hut. Wir gingen zufrieden zu unserem Bus, in dem Elena die ganze Zeit über saß, um wegen des kaputten Fensters darauf aufzupassen. Auf dem Weg dahin sprach uns ein älterer Mann an. „Are you the American Band that played here yesterday?“ In meiner Euphorie nach dem Auftritt habe ich einfach mal ja gesagt. Er suche eine Band für seinen Geburtstag am folgenden Samstag. Da wir sowieso in Sitges festsaßen, keine schlechte Option. Wir kamen ein wenig ins Gespräch und sprachen auch über unser kaputtes Fenster. Es stellte sich heraus dass dieser unscheinbare Mann mit Hund, namens Michel, ein ziemliche reicher Typ war. Er sprach extrem langsam und unerlässlich. Es erforderte einiges an Konzentration und Geduld, sich mit ihm zu unterhalten. Aber er machte uns ein Angebot, welches wir schwer ablehnen konnten. In seiner Tiefgarage direkt an der Promenade wäre noch Platz und wir könnten unseren Bus dort unterstellen, wenn wir wollten. Wir tauschten erstmal Nummern aus und fuhren nach dem vierten Anlauf, uns aus dem Gespräch loszureißen, hoch in die Berge, um dort zu schlafen.

Am nächsten Tag fuhren wir um die Mittagszeit aus unserem paradiesischen Funkloch zurück nach Sitges, um Michel anzurufen. Da wir alle den Eindruck hatten, dass zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Michel am Vorabend keiner der Beteiligten im Besitz seiner vollständigen geistigen Fähigkeiten war, glaubten wir noch nicht so recht daran, dass das mit der Tiefgarage wirklich klappt. Zu unserer Überraschung ging Michel dann aber tatsächlich an sein Handy und wir trafen uns an der Tiefgarage. Damit wir mit unserem großen Auto nicht umständlich in der Tiefgarage rangieren müssen, wollte Michel den ersten seiner Stellplätze freimachen. Dazu musste er seinen vermutlich nicht all zu alten Alpha Romeo umparken. Als ich um das Fahrzeug herumging, wunderte ich mich bereits, denn die komplette rechte Seite war zerkratzt. Ich stellte aber keine Fragen. Michel stieg ein wenig schwankend ins Auto und warf den Motor an. Was dann folgte, war einer der absurdesten Situationen die wir alle jemals erlebt hatten. Das Umparken auf einen Parkplatz, der zwar zwischen zwei Säulen lag, sich aber nur drei Meter zweiter befand, dauerte mindestens ZWANZIG Minuten, kostete einen gelben Poller, den rechten und linken Kotflügel, beinahe die Kupplung und den linken Seitenspiegel das Leben. Unsere lauten Versuche, von außen Einparkhilfe zu leisten, blieben unerhört. Als Michel schlussendlich gerade in der Parklücke stand, setzte er zum Gnadenstoß an: Er ließ den Motor aufheulen, die Kupplung fetzen und fuhr Rückwärts gegen seinen Motorroller, der am Ende der Parklücke stand. Er quittierte das Ende dieser Schlacht mit einer Handbewegung, aus der man nur „Scheiß drauf, ist doch mir egal“ lesen konnte und gab uns damit den Rest. Wir waren erst mal fertig mit der Welt. Als er uns dann anbot, nach oben in sein Apartment zu kommen, stiegen Elena und Alina aus. Sie wollten schon mal vorgehen in die Sportsbar, wo wir uns später zum Essen treffen sollten. Leon, Johannes und ich (Tim wanderte in der Zwischenzeit aus den Bergen in Richtung Sitges) nahmen die Herausforderung an und gingen mit nach oben. Volles Programm: Privataufzug direkt vor die Haustür, Apartment in erster Reihe zur Promenade, Terrasse mit Jacuzzi inklusive. Am überraschendsten für uns war jedoch: Hinter der Wohnungstür stießen wir auf eine total herzliche und den Umständen entsprechend sehr normale und zuvorkommende Familie. Wir unterhielten uns mit Michels Frau und seinen zwei Kindern und wunderten uns insgeheim über das zuvor Geschehene. Wir unterhalten uns ein wenig und Michel folgte uns wieder in die Tiefgarage, um uns den Schlüssel für seine Garage zu überreichen. Wie am Abend davor war es wieder eine beinah unlösbare Aufgabe, sich aus der Konversation zu lösen. Nach dem vierten Anlauf konnten wir uns aber losreißen und machten uns auf den Weg in die Sportsbar. Dort angekommen versuchten wir uns über das soeben geschehene auszutauschen und die Absurdität der Situation zumindest im Ansatz zu verarbeiten. Wir freuten uns, dass unser Auto in Sicherheit stand und dass wir entspannt auf den richtigen Zeitpunkt zum Spielen auf der Straße warten konnten. Nach ungefähr einer Stunde wurde diese Entspanntheit jedoch durchbrochen, denn auf einmal kam Michel durch die Tür der Sportsbar marschiert. Wohlerzogen, wie wir alle sind, boten wir ihm natürlich an, dass er sich zu uns setzen könne, ahnten aber in diesem Moment bereits was uns bevorstand. In den folgenden drei Stunden arbeiteten wir im Schichtbetrieb. Immer ein oder zwei Personen blieben am Tisch und lauschten den zeitlupenartigen und von vielen Denkpausen geprägten Lebenserzählungen von Michel. Die anderen pausierten zwischendurch am Strand, auf der Terrasse, auf dem Klo oder irgendwo anders. Wir waren uns einig: Michel hatte unglaublich viel erlebt. Er sprach fünf Sprachen, wohnte in Afrika, Frankreich, ritt Kamelrennen, gelangte zu Reichtum. Es war spannend zuzuhören, aber sobald die Erzählbüchse der Pandora mal offen war, gab es kein Entrinnen. Nach drei Stunden und wieder einmal viel Überzeugungsarbeit machten wir uns dann auf den Weg zur Tiefgarage, um unser Equipment zu holen und uns für die Straße bereit zu machen. Wir spielten drei Sets an der selben Stelle wie am Vorabend und gaben unser bestes Konzert bisher. Die Leute waren begeistert, schenkten uns viele Komplimente und warfen insgesamt 260€ in den Hut.

Im Anschluss an das Konzert kamen wir mit einigen Leuten ins Gespräch, unter anderem Elliott und Mel, die uns unabhängig voneinander anboten bei ihnen im Garten oder im Haus zu übernachten. Das Angebot von Mel passte an diesem Abend besser rein, also fuhren wir, immer noch euphorisiert vom Konzert, zu ihrem Haus. Mel hatte uns einfach den Schlüssel gegeben und wollte später dazukommen. Weil ihr Hund Lugo uns noch nicht kannte, konnten wir erstmal nicht rein und gingen noch eine Weile im nahegelegnen Wald spazieren, um auf Mel zu warten und die Biervorräte zu bereinigen. Als Mel kam saßen wir noch gemeinsam auf der Terrasse und schliefen schlussendlich unter freiem Sternenhimmel ein. Der abenteuerliche Tag fand ein zufriedenes Ende und wir waren gespannt, was als nächstes passieren würde.

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