Der Raub Teil 1

Freunde der Sonne, Freiheit und Musik,

Seit unserem letzten Update sind schon einige Tage vergangen. Das liegt daran, dass in den letzten Tagen einfach so viel los war, dass wir gar nicht zum Schreiben kamen und erst mal alles, was so passiert war, verarbeiten mussten. Es ist wieder einiges passiert, deswegen ist der folgende Newsletter auch nicht kürzer als der letzte. Viel Spaß beim lesen!

Wie man im letzten Newsletter lesen kann, wollten wir am sechsten Tag unserer Reise nach der ganzen Aufregung mit dem Wildschwein erst mal einen Entspannungstag einbauen. Wir beschlossen zur Verdonschlucht zu fahren um ein wenig wandern zu gehen und die Seele baumeln zu lassen. Aus der geplanten Entspannung wurde dann aber leider nichts, denn auf den engen Serpentinenstraßen hoch zu den französischen Alpenausläufern mussten wir an einer Stelle einem überholenden Motorradfahrer ausweichen. Dabei landete unser rechtes Hinterrad im Graben und rollte mit einem großen Knall über eine Betonkante. Ich konnte das Auto zwar unter Kontrolle halten, aber der Reifen, bzw. die Felge war dahin. Das Rad hatte einen Achter, schlingerte und klapperte bei jeder Linkskurve. Uns blieb nichts anderes übrig, als im nächsten Bergdorf anzuhalten. Dort saßen wir dann erst mal fest. Nach einem kurzen Telefonat mit dem Notdienst des Vermieters war klar: wir mussten bis Montag auf eine Entscheidung der Fachabteilung des Vermieters warten. Dabei stand noch nicht fest, ob wir das Auto in Frankreich reparieren lassen dürfen, oder ob wir zurück nach Deutschland müssen. Der erhoffte Entspannungstag wurde so zum bis dahin spannendsten Tag unserer Tour, denn im schlimmsten Fall hätte dieser Unfall ein jähes Ende der Tour bedeuten können. Nachdem klar war, dass wir erst mal nichts tun können, außer warten, fiel uns auf, wie schön eigentlich der Ort war, an dem wir gestrandet waren. Ein Bergdorf direkt am glasklaren Fluss Verdon mit großem Parkplatz und Wiesenstück am Ende des Parkplatzes, auf dem wir unsere Zelte aufstellen konnten. Da wir samstags ankamen, hatten wir zwei Tage Zeit. Hier ließ sich diese Zeit wunderbar aushalten. Johannes und ich gingen Angeln im Verdon (leider nichts gefangen), wir erkundeten das Dorf, tranken abends ein paar Bier mit unseren Campingnachbarn und ließen es uns einfach gut gehen. Für kurze Zeit konnten wir total vergessen, welche Entscheidung uns am Montag noch bevor stand.

Am Montag erfuhren wir dann endlich, dass wir unser Auto in einer lokalen Werkstatt reparieren lassen dürfen. Wir waren total happy! Die nächste Werkstatt, die wir ausgekundschaftet hatten, war anderthalb Kilometer von unserem Stehplatz entfernt. Unser Reifen hatte zwar bereits Luft verloren, aber wir pokerten einfach darauf, dass er diese Strecke noch durchhält. Doch leider hatten wir wenig Glück, denn auf der Hälfte der Strecke mussten wir anhalten. Der Reifen war komplett platt. Warnblinker, Warndreieck, erneuter Stillstand. Ein Ersatzrad hatten wir auch nicht, nur ein Reifenreparaturset. Dabei war auch ein kleiner Kompressor, mit dem man den Reifen zumindest wieder aufpumpen konnte. Also räumten wir das Auto auf der Straße leer, schlossen den Kompressor an und hofften, das die neue Luft bis zur Werkstatt reicht. Das hat dann auch gerade so geklappt und wir standen auf dem Hof der Werkstatt. Wie zu erwarten, konnte niemand in der Werkstatt Englisch und wir mussten uns mit unserem gebrochenen Französisch durchschlagen (die fünf in Französisch wirkt bis heute noch nach). Da Tim noch am besten Französisch konnte, musste er übersetzen. Der Mechaniker schaute sich unseren Reifen für ca. 2,5 Sekunden an und verzog sich nach einem Wink in Richtung Büro wieder in seine Garage. Im Büro bekamen wir dann einen Termin zur Reparatur, allerdings erst am nächsten Tag um 14 Uhr. Die Nacht verbrachten wir dann auf dem Campingplatz auf der anderen Straßenseite, welcher nur eine Kompressorladung Luft entfernt lag. Als wir dort ankamen, lag das Stimmungsbarometer ziemlich tief. Passend zu der emotionalen Achterbahnfahrt die schon seit Tourbeginn andauert, ging es auch an diesem Punkt unverhofft wieder plötzlich steil Bergauf. Tim und ich waren mit der Familie, denen der Campingplatz gehört, ins Gespräch gekommen und haben ihnen ein spontanes Ständchen vorgesungen. Die Familie war begeistert und wir durften abends ein spontanes Konzert im Restaurant spielen. Pizza und Bier gratis, tolles Publikum und 40€ im Hut. Wir gingen zufrieden schlafen.

Am Dienstag, dem neunten Tag seit Tourbeginn, konnten wir dann wie geplant um 14 Uhr unser Rad reparieren lassen. Wir waren wieder mobil! Als nächste Station hatten wir uns Aix-en-Provence herausgesucht, zu der wir uns auch direkt aufmachten. Dort spielten wir dann drei Sets auf der Straße, trafen zufällig zwei Freunde aus Hannover, verliebten uns in das wunderschöne Städtchen und machten uns im Anschluss auf die Suche nach einem Stellplatz. Endlich wieder „normales“ Straßenmusiktourleben. Nach einiger Suche fanden wir einen Stellplatz in den Bergen, mitten im Wald zwischen riesigen Anwesen und Villen. Da wir nicht genau erkennen konnten, ob das Gelände privat oder öffentlich war, war uns zwar ein wenig mulmig zumute, wir stellten aber trotzdem unsere Zelte auf. Das mulmige Gefühl erreichte dann kurz bevor wir ins Bett gehen wollten noch seinen Höhepunkt. Elena fiel auf, dass sich irgendwas im Busch bewegt. Wir starrten alle mit der Zahnbürste im Mund auf das dunkle Gestrüpp direkt vor uns und versuchten so leise wie möglich zu sein. Tatsächlich. Es kam lautes Rascheln aus der Dunkelheit, die auch mit unseren Kopflampen nicht durchbrochen werden konnte. Dass Tim dann noch flüsterte: „Das klingt wie ein Mensch, vielleicht Einbrecher“, machte die Situation nicht besser verdaulich. Nach einer Weile hörte das Rascheln einfach auf und wir sagten ein wenig verwirrt gute Nacht und gingen schlafen. Wir wechseln uns immer ab, wer im bus schläft, denn das Bett im Bus ist nicht das bequemste. In dieser Nacht war ich dran. Weil man die Türen vom Bus verriegeln kann, war ich in dieser Situation aber auch nicht unglücklich über das unbequeme Busbett.

Der Mittwoch begann sehr früh, denn wir mussten 650km nach Barcelona fahren, um unsere beiden Mitmusiker, Leon und Alina dort abzuholen. Durch unsere Reifenpanne kamen wir zwar zwei Tage zu spät, dies tat der Freude beim Zusammentreffen aber keinen Abbruch. Alle waren total euphorisch und gespannt auf die kommende Zeit zu sechst im Bus. Damit sich alle erst mal in Ruhe beschnuppern können, beschlossen wir schon am Nachmittag einen Stellplatz zu suchen und erst einmal gemeinsam Musik zu machen. Wir fanden einen wunderschönen Platz mitten in den Bergen, umgeben von Natur. Wir bauten unsere Instrumente auf und probten die ersten gemeinsamen Songs im schönsten Proberaum in dem wir alle jemals geprobt hatten. Wir ließen den Abend mit einem gemeinsamen Abendessen ausklingen und bekamen sogar noch Besuch. Ein Fuchs kam bis auf wenig Meter an uns heran und beobachtete uns (Wie wir später vom Förster erfahren haben, macht er das wohl jeden Abend und ist kerngesund). Der Tag war ein voller Erfolg, und wir freuten uns wie Schneekönige auf das Musikmachen am nächsten Tag.

Aber wie das bei Achterbahnfahrten bekanntermaßen so ist, kommt nach dem größten Aufstieg auch die tiefste Talfahrt. Ohne es zu ahnen, stand uns nach dem euphorischen Zusammentreffen genau diese Talfahrt noch bevor…

Schreibe einen Kommentar